Heimatblatt Nr. 33

Titelbild

1952 Oberstraße, Engpass

Inhaltsverzeichnis

  • Luftschiff Zeppelin über Bacharach
  • Viertäler Nachrichten
  • Wie gern bin ich in Bacharach
  • Der optische Telegraph
  • Das Jahrhundert-Hochwasser 1988   Leseprobe
  • Personenzug am Leimbach
  • Die Zollstraße Bacharach und Albrecht Dürer
  • Christliches Brauchtum im Wandel der Zeiten
  • Ruderverein Bacharach - 125 Jahre Wassersport
  • Zum 30. Todestag von Bernhard Saxler
  • Bacharacher Volksschule Bacharach 1940/41 (Katholisch/evangelisch)

Leseprobe

Leseprobe  Das Jahrhundert-Hochwasser 1988

Hochwasser ist Elementar-Schadensereignis - damit Voraussetzung für Gewährung staatlicher Hilfen
(Bericht der Allgemeinen Zeitung vom 31. März/1. April 1988)

Das Hochwasser am Rhein nimmt langsam wieder ab. Über diese Nachricht dürfen sich vor allem die Bewohner der Anliegergemeinden freuen, auch wenn sie in den kommenden Tagen genug damit zu tun haben werden, die Schäden zu beseitigen. Unterdessen teilte das Innenministerium mit, dass das Hochwasser als Elementar-Schadensereignis festgestellt wurde. Damit sei die Voraussetzung für die Gewährung staatlicher Finanzhilfen gegeben. Sie werden nur für schwere, Existenz gefährdende Schäden ausgezahlt. Voraussetzung sei, dass ein Geschädigter trotz Vorsorgemaßnahmen und Selbsthilfe unverschuldet in eine außergewöhnliche Notlage geraten sei.

Bis in die Oberstraße (hier an der Kranenstraße) reicht das Hochwasser An den Aufräumarbeiten will sich einen halben Tag auch der Wirtschaftsminister Brüderle beteiligen. Dies kündigte er gestern bei einem Besuch in Bacharach an. Der Minister rief die vom Hochwasser Betroffenen auf, alle entstandenen Schäden den Verbandsgemeinden bzw. Städten zu melden. Die Finanzämter seien angewiesen, in Härtefällen großzügig zu entscheiden.

In der Kranenstraße Erste Aufräumarbeiten

Venedig in Bacharach Die Weinstöcke auf Heyles'en Werth sind gut bewässert

Nach Besuchen in Heidesheim und Koblenz erklärte der Staatssekretär im Innenministerium, Basten, "der Hochwasserwarndienst scheine zufrieden stellend zu funktionieren". Die Feuer- wehren und Kräfte des Katastrophenschutzes seien von ihrer Ausbildung und Ausrüstung her auf Hochwasserlagen eingerichtet. Die Bewohner in Hochwassergebieten hätten sich auf die Gefahren eingerichtet und Vorsorgemaßnahmen getroffen. Beeindruckend sei auch die Selbst- und Nachbarschaftshilfe.

Für Verhandlungen mit Baden-Württemberg und Frankreich über künftige einheitliche Deichhöhe am Rhein hat sich gestern Umweltminister Wilhelm auf Anfrage unserer Zeitung ausgesprochen. Dieses Thema habe bereits auf der Tagesordnung der gemeinsamen Sitzung des rheinland-pfälzischen sowie hessischen Kabinetts gestanden. Wilhelm sagte, in der Vergangenheit seien viele Sünden begangen worden. So hätten manche Gemeinden Baugebiete in Hochwasserzonen ausgewiesen. "Man sollte darauf achten, Retentionsräume nicht durch Bebauung zu zerstören."

Die Langstraße Am Tonnenhof

Der Bau dieser Rückhalteräume sei jedoch teilweise umstritten. Hier müsse zwischen Belangen des Naturschutzes und Interessen der vom Hochwasser gefährdeter Menschen abgewogen werden. "Das Hochwasser ist allerdings nicht so beherrschbar, dass jeder Rheinland-Pfälzer immer trockene Füße behält", sagt Wilhelm weiter.

Die Grünen haben gestern die Landesregierung aufgefordert, durch Rückverlegung der Deiche die Überschwemmungsgebiete im Oberrheinbereich zu erweitern. Bei seinem Besuch in Bacharach erfuhr Wirtschaftsminister Brüderle auch, dass "das Öl im Wasser das Schlimmste sei". Trotz mehrfacher eindringlicher Aufrufe haben es hier viele Privathaushalte unterlassen, ihre Heizöltanks im Keller gegen die gestiegenen Fluten zu sichern. Vom gewaltigen Auftrieb aus der Verankerung gerissen, ist so mancher Tank umgestürzt und ausgelaufen. Pausenlos sind die Feuerwehren im Einsatz, das auf dem Wasser schwimmendes Öl chemisch zu binden. Schäden an der Umwelt sind dennoch unausweichlich.

Würden die unmittelbaren Anlieger der hochwassergefährdeten Gebiete ihre Energieversorgung auf Gas umstellen, wäre die Gefahr langfristig gebannt. Doch dazu sind die Betroffenen offensichtlich nicht bereit. "Das rechnet sich nicht für uns", sagte ein Gastronom aus Bacharach im Gespräch mit unserer Zeitung. "Wir müssen für ein ganzes Jahr Anschlussgebühren zahlen, obwohl wir als Saisonbetrieb nur fünf Monate geöffnet haben. Unter dem Strich ist Öl da einfach billiger." Ein Argument, das der Minister zum Anlass nehmen will, Einfluss auf die Versorgungsunternehmen auszuüben. Die Preisstruktur in dieser Frage müsse noch einmal überdacht werden.

Sammlung: Michael Paff