Heimatblatt Nr. 32

Titelbild

Kurpfälzische Münze um 1930

Inhaltsverzeichnis

  • Schulwanderung auf die Ruine Stahlberg - 1941
  • De Landgag vum Schmitte Jacob
  • Viertälernachrichten
  • Römische Fossilien in unserer Heimat
  • 175 Jahre Schiffstation Bacharach
  • Wein, ein altes Kulturgut
  • Gerd Braun - Ein Bacharacher Original   Leseprobe
  • LUMINALE 2008 - Bacharach im Feuerschein
  • Hausinschriften
  • Bacharacher Städtefreundschaften
  • Gasthaus "Zum Rad"   Leseprobe
  • Katholische Volksschule Bacharach - Herbst 1936

Leseprobe

Leseprobe  Gerd Braun - Ein Bacharacher Original

Gerd Braun wurde 1922 geboren und war der älteste Sohn von Wilhelmine Stüber, genannt "Tante Mina", geboren am 27. August 1896 in Bacharach. In erster Ehe war "Tante Mina" mit dem Zechenbeamten August Braun von der Zeche Konstantin bei Bochum verheiratet. Aus dieser Verbindung ging neben Gerd noch dessen 3 Jahre jüngerer Bruder Günther hervor. In zweiter Ehe lebte "Tante Mina" mit dem Tiefbauingenieur Wilhelm Franken, mit Spitznamen "Nero" genannt, in Bacharach zusammen, wo sie 1942 in der Oberstraße 56 im 3. Stock wohnten. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde Franken von der französischen Besatzungsmacht als kommissarischer Bürgermeister in Bacharach eingesetzt. Gerd wuchs als Kind in Bacharach auf und besuchte die katholische Volksschule Bacharach bei Lehrer Schneider.

Gerd Braun arbeitete nach dem zweiten Weltkrieg im Büro der Sektkellerei Geiling. Zwischen Kriegsende und Währungsreform bewies er sein Talent im "Organisieren, Besorgen, Überreden und Schmuggeln", so z. B. wenn eine Firma einen Laster Zucker brauchte. In diesen Zeiten pflegte er gute Beziehungen zum britischen Secret Service. Gerd war ein fescher, gut aussehender junger Mann. Unser Vater Fritz bewunderte immer dessen große Chancen bei der Weiblichkeit, die "Onkel Gerd" mit seinem liebenswürdigen charmanten Wesen umgarnte. Für eine feste Beziehung und Ehe war "Onkel Gerd" aber nicht geschaffen; nur einmal war er für einige wenige Monate verheiratet.

Seine Leidenschaft war das Motorradfahren. In der Nachkriegszeit schlug während der Kirmes eine Steilwandfahrer-Truppe ihren Fahrkäfig in Bacharach auf und Gerd fuhr mit seinem Motorrad mit. In der Zeit der Währungsreform fuhr er doch tatsächlich mit seinem Motorrad über den Rhein, über ein gespanntes Drahtseil von der Burg Rheinstein nach Assmannshausen. Anfang der 50er Jahre fuhr er auch richtige Rennen mit. Meist auf abgesperrten Stadtkursen in Neuwied oder Bad Kreuznach. Unsere Tante Marlis erzählte uns, auf dem Hockenheimring sei er einmal bei einem Rennen gestürzt, worauf er mit einem Auge schielte. Da "Onkel Gerd" nicht sonderlich verletzt gewesen sei, habe er das Rennen wieder aufgenommen, sei wiederum gestürzt, worauf er nicht mehr geschielt habe. Nach einem weiteren Rennunfall in Neuwied wurde er in das Krankenhaus Oberwesel eingeliefert. Gegen den ärztlichen Rat wollte er jedoch nicht lange bleiben, ließ sich nachts heimlich abholen und floh im Nachthemd auf einem Motorrad gen Bacharach.

"Onkel Gerd", wie wir Stüber-Kinder ihn in den 1960er Jahren nannten, war ein "Original", um den viele kuriose Geschichten kreisten. Mit der Wahrheit nahm er es nicht immer so genau, beschönigte und erzählte uns haarsträubende Geschichten, wie einst Münchhausen.

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Leseprobe  Gasthaus "Zum Rad"

Das Gasthaus "Zum Rad", ehemals an der Rheinfront von Bacharach gelegen, galt in der Treidelschifffahrtszeit für die Reisenden auf dem Rhein als ein bekanntes Übernachtungsziel. Den Namen "Rad" bekam es, weil das Haus den Mainzer Kaufleuten und Schiffern als Treffpunkt diente. Die Verbindung zu Mainz wurde verdeutlicht durch die Anlehnung an das Mainzer Stadtwappenrad. Dies bekundete ein Rad im Gasthausschild zur Rheinseite. Mainz war damals ein Stapelplatz für alle Warenarten, während Bacharach dies nur für Wein war. Stapelplatz, d. h. Einlagerrecht einer Stadt, jeden Kaufmann, der dort Waren hinführte, zu zwingen, diese eine Zeitlang zum Verkauf zu stellen. Mit dem Stapelrecht war öfters auch ein Umschlagsrecht verbunden, d. h. die fremden Waren mussten für den Transport vom oder zum Schiff die städtischen Fuhrwagen benutzen, und der Weitertransport geschah in der Regel auf einem anderen Schiff als bei der Anlieferung. Das Stapelrecht gewährte den dortigen Bürgern ein Vorkaufsrecht auf diese fremden Waren. Und was in Bacharach anders war, weil nur eine Warenart vorlag, dieser Verkauf fand auf dem Weinmarkt statt, indem ein fester Preis zwischen Stadtrat und Kaufleuten festgelegt wurde. Zusätzlich ging der Verkauf nur in Form einer Gabelung, die zu einem guten Fass Wein ein geringwertigeres Fass vorschrieb.

Da die Sicht zum Rheinstrom wichtig war, um den Schiffsverkehr beobachten zu können, werden mit Sicherheit die Gasträume im Haus an der Rheinfront gewesen sein. Das damalige Hintergebäude auf der rückwärtigen Straßenseite umfasste die heutigen Anwesen Langstraße 1, sowie Zollstraße 5 und 7. Dieses konnte man vom Vorderhaus, in der ersten Etage über einen überdachten Übergang erreichen.

Ein erster Nachweis für das Gasthaus ist der Reisebericht des Vincent Laurensz im Jahre 1653. Dessen Reise "ging rheinaufwärts und berührte dabei am 19. April auch Bacharach, hier logierten wir im "Alten Rad" und haben bei Wein viel Unsinn gemacht". Aus den Kirchenbüchern erfährt man, dass der Besitz dieses Hauses sehr begehrt war. Johann Heinrich Fischer, geboren ca. 1630, war einer der ersten Besitzer. Um 1650 heiratet er "Maria Margarethe" und von ihren zehn Kindern wird ebenfalls ein Johann Heinrich 1661 geboren, er hatte den Ratsbürgermeister Joh. Heinrich Schatab als Paten. Dieser Sohn ist der spätere Wirtsnachfolger im "Rad". Er heiratet 1702 Anna Constantia Heilmann. Ihr gemeinsamer Sohn Philipp Wilhelm (*1704) stirbt mit acht Jahren, der Vater selbst bereits schon 1705.

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