Heimatblatt Nr. 064
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Inhaltsverzeichnis
Leseprobe
Eine Steeger Feuerordnung von 1584 (Max Grund)
1873 bis 1945
Brände waren in der Vormoderne eine der großen Geiseln städtischen Lebens. Immer wieder kam es vor, dass Quartiere, Stadtteile oder gar ganze Städte ein Raub der Flammen wurden. Auch das Gebiet der Viertäler hatte unter manchen versehentlich oder ganz absichtlich entstandenen Feuers-brünsten zu leiden. So brannte etwa 1730 das Bacharacher Rathaus ab und mit ihm mutmaßlich ein großer Teil des Archivs. Auch in Steeg kam es immer wieder zu Bränden.
In Zeiten lang vor automatisch betreibbaren hydraulischen Pumpen und umfangreichen Wasserleitungsnetz, war jeder noch so kleine Brand ein potenziell lebensbedrohliches Ereignis. So wundert es denn kaum, dass die Städte und ihre Räte recht früh dazu übergingen, Vorschriften und Ordnungen zu erlassen, die solchen Bränden vorbeugen sollten. Dies gelang freilich keineswegs immer. Und so galt es auch das Agieren im Brandfalle zu regeln. In den großen Städten kam hier den Zünften und ihrer personellen Organisation eine tragende Rolle zu. Recht gut erforscht ist etwa das Beispiel von Mainz.1 In kleineren Gemeinwesen, wie es das Tal Steeg war, mussten etwaige Löscharbeiten anders organisiert werden. Dies betraf sowohl deren Durchführung als auch die grundlegende Bereitstellung der Löschmittel.
In manchen Orten übernahm der Rat zumindest einen Teil der Löschmittelbereitstellung. In anderen führte er zumindest gewissenhaft über die vorhandenen Eimer und Leitern Buch. Teilweise so genau, dass anhand dieser Aufzeichnungen sogar sozialtopographische Versuche unternommen werden.Zwar haben sich aus Steeg ähnliche Aufzeichnungen anscheinend nicht erhalten. Immerhin ihr Wiederpart aber, die Festlegung, wer Eimer unterhalten und wann bereitstellen sollte, findet sich durchaus im ältesten Steeger Talbuch.3 Genau dieser auf das Jahr 1584 datierten Steeger Feuerordnung sollen die nachfolgenden Zeilen gewidmet sein.
Mit besagter Feuerordnung legte der Steeger Rat fest, dass jeder Bürger des Fleckens eine bestimmte Anzahl an ledernen Löscheimern vorhalten müsse, welche für den Einsatz bei Bränden gedacht seien. Dabei sollte auf die finanziellen Möglichkeiten der Bewohner Rücksicht genommen werden, jeder sollte eine gewisse Anzahl nach gelegenheit seines reichthu?mbs vorweisen können. Dies schloss auch die Wirtschaftshöfe auswärtiger Grundbesitzer mit ein.4 So sollten beispielsweise der Probst von Hirzenach sechs Eimer, der Hof des Stifts Münstermaifeld vier, der sogenannte Boxhoff sechs, der Hof des Klosters Kumbd sechs, der Hof des Klosters Ravengiersburg vier und alle anderen auswärtigen Höfe ebenfalls vier Eimer besitzen. Reiche Bürger sollten ebenfalls sechs Eimer fertigen lassen, wobei nicht genauer spezifiziert wird, ab welchem Besitzumfang man hiervon betroffen sei. Interessant ist, dass bezüglich der Klosterhöfe eine andere Belastung vorgenommen wurde als etwa bezüglich der zu haltenden Söldner im sogenannten Bacharacher Ratsprotokollfragment.5 In diesem erscheint der Hof von Hirzenach wesentlich leistungsfähiger als jener des Kosters Kumbd, während sie hier auf gleiche Weise belastet werden.
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Eine Kuh leerte eine Bütte Wein
"Ein Winzer aus Manubach mußte beim Betreten seines Kellers, den er für kurze Zeit verlassen hatte, eine üble Entdeckung machen. Seine Kuh hatte sich von der Kette im Stall losgerissen, war in den Weinkeller geraten und hatte eine mit Wein gefüllte Bütte bis auf einen kleinen Rest ausgesoffen. Der Wein sollte in ein frisches Faß umgefüllt werden. Die Kuh, die kaum noch auf den Beinen stehen konnte, wurde von mehreren Winzern aus dem Keller in den Stall befördert, wo sie sich mehrere Stunden betäubt niederlegte".
Schüsse in der Dunkelheit - ein Mord wird vertuscht (Dagmar Aversano-Schreiber)
Es war abends gegen halb neun am Montag, dem 11. September 1933 - die Sonne war bereits untergegangen - als drei Schüsse durch die Dunkelheit krachten und die Bacharacher davon aufgeschreckt zur Pfalzgrafenschänke im Marktturm (siehe Abb. Heftrückseite) eilten. Der SS-Mann Alois Marzi aus Neuwied, der gerade die Weinstube betreten wollte, hielt das Publikum zurück. Kurz darauf erschien auf der Treppe vor der Schänke der offensichtlich betrunkene SA-Mann Ernst Heindorf aus Berlin. Er stieg auf die Mauerbrüstung, fuchtelte mit seiner Waffe herum und forderte die Leute auf, die Straße sofort zu räumen. Er setzte den Flüchtenden bis zur Peterskirche nach. Wilhelm Weber jun. schloss am Alten Haus Türen und Fenster aufgrund des Tumults. Kurz darauf klopften fünf oder sechs Personen aus Berlin an und begehrten Einlass. Während der Musiker Richard Posner mit ihnen sprach und sie einließ, kam Heindorf hinzu, setzte ihm die Pistole auf die Brust und drohte ihn zu erschießen, wenn er nicht sofort ins Haus gehen würde. Daraufhin informierte Marzi den SS-Sturm Kreuznach, und bald darauf sprach Sturmbannführer Heidrich mit den Zeugen im Alten Haus über den Vorfall. Es hatte in der Pfalzgrafenschänke einen Verletzten und einen Toten gegeben. Am Bahnhof fand man deren vier Begleiter und entwaffnete sie. In ihrem Fahrzeug am Rheinufer entdeckte man noch mehr Pistolen und Munition und beschlagnahmte sie. Was war geschehen? Noch am gleichen Abend wurden drei Zeugen durch den Stadtbürgermeister Kuno Berger verhört, die sich zum Zeitpunkt der Tat in der Weinstube aufgehalten hatten.
Der Besitzer Heinrich Bastian erklärte: Seit heute Nachmittag hatte ich mehrere Führer der N.S.D.A.P. in meinem Lokal zu Gast. Alles verlief in bester Harmonie. An dem Tisch in der Ecke nach dem Hause Glasbrenner1 zu sassen 2 Herren, die anderen Kameraden hatten vorübergehend das Lokal verlassen und standen teils auf der Stadtmauer vor dem Eingang zum Turm und zu den Toiletten. Plötzlich gegen 20,30 Uhr, als ich am Büffet stand, hörte ich drei schnell hintereinander los gehende Schüsse. Zwischen dem 1. und dem 2. Schuss war eine kurze Pause. Ich sah nur, aufmerksam geworden durch den ersten Knall, wie der linker Hand in der Ecke sitzende Herr einen Revolver nach seiner Schläfe gerichtet hatte und hörte noch 2 Schüsse. Der Schütze sank nach vorn in sich zusammen, während sein Kamerad zurückgelehnt sitzen blieb. Sofort sandte ich meinen Musiker Rudolf Mrosek zum Arzt Dr. Kaiser, während die andern Kameraden, die inzwischen auf die Schüsse hin in das Lokal geeilt kamen, sich um die Verletzten bemühten. Streitigkeiten oder Disput zwischen den beiden Personen habe ich nicht beobachtet". Der Musiker Rudolf Mrosek, wohnhaft in der Rosenstraße 4, bestätigte diese Aussage. Auch die Kellnerin Martha Reinemann, wohnhaft Steeg 19, berichtete: "[...] Im Lokal sassen an dem Ecktisch 2 S.A.-Leute, an einer andern Stelle des Lokals 4 Herren und eine Dame, die aber nicht zu den S.A. Leuten gehörten. Ohne das irgend etwas vorgefallen wäre - es hatte stundenlang die beste Stimmung im Lokal geherrscht - hörte ich plötzlich einen Schuss, ich sah auf und sah Rauch von dem Schusse her. Ich sah weiter, wie der linker Hand sitzende Herr die Waffe gegen seinen Kopf richtete und hörte dann schnell hintereinander noch 2 Schuss. Ich habe angenommen, dass es sich um Scheintotpistole handelte und dass es sich um Spass handelte, kann dann aber, da alsbald eine grosse Erregung entstand und mehrere Uniformierte (Kameraden der beiden am Tisch sitzenden Herren), die vor dem Lokal gestanden hatten, hinzueilten und sich um die Beiden bemühten, keine weiteren Angaben machen, die zur Aufklärung der Sache dienlich wären". Der Adjutant des Stabsleiters der N.S.B.O. Ernst Heindorf, Berlin Norden 58, Ahlbeckerstrasse 17 II, sagte aus: "Wir haben uns der Besitzer Heinrich Bastian erklärte: "Seit heute Nachmittag hatte ich mehrere Führer der N.S.D.A.P. in meinem Lokal zu Gast. Alles verlief in bester Harmonie. An dem Tisch in der Ecke nach dem Hause Glasbrenner1 zu sassen 2 Herren, die anderen Kameraden hatten vorübergehend das Lokal verlassen und standen teils auf der Stadtmauer vor dem Eingang zum Turm und zu den Toiletten. Plötzlich gegen 20,30 Uhr, als ich am Büffet stand, hörte ich drei schnell hintereinander los gehende Schüsse. Zwischen dem 1. und dem 2. Schuss war eine kurze Pause. Ich sah nur, aufmerksam geworden durch den ersten Knall, wie der linker Hand in der Ecke sitzende Herr einen Revolver nach seiner Schläfe gerichtet hatte und hörte noch 2 Schüsse. Der Schütze sank nach vorn in sich zusammen, während sein Kamerad zurückgelehnt sitzen blieb. Sofort sandte ich meinen Musiker Rudolf Mrosek zum Arzt Dr. Kaiser, während die andern Kameraden, die inzwischen auf die Schüsse hin in das Lokal geeilt kamen, sich um die Verletzten bemühten. Streitigkeiten oder Disput zwischen den beiden Personen habe ich nicht beobachtet". Der Musiker Rudolf Mrosek, wohnhaft in der Rosenstraße 4, bestätigte diese Aussage. Auch die Kellnerin Martha Reinemann, wohnhaft Steeg 19, berichtete: "[...] Im Lokal sassen an dem Ecktisch 2 S.A.-Leute, an einer andern Stelle des Lokals 4 Herren und eine Dame, die aber nicht zu den S.A. Leuten gehörten. Ohne das irgend etwas vorgefallen wäre - es hatte stundenlang die beste Stimmung im Lokal geherrscht - hörte ich plötzlich einen Schuss, ich sah auf und sah Rauch von dem Schusse her. Ich sah weiter, wie der linker Hand sitzende Herr die Waffe gegen seinen Kopf richtete und hörte dann schnell hintereinander noch 2 Schuss. Ich habe angenommen, dass es sich um Scheintotpistole handelte und dass es sich um Spass handelte, kann dann aber, da alsbald eine grosse Erregung entstand und mehrere Uniformierte (Kameraden der beiden am Tisch sitzenden Herren), die vor dem Lokal gestanden hatten, hinzueilten und sich um die Beiden bemühten, keine weiteren Angaben machen, die zur Aufklärung der Sache dienlich wären". Der Adjutant des Stabsleiters der N.S.B.O. Ernst Heindorf, Berlin Norden 58, Ahlbeckerstrasse 17 II, sagte aus: "Wir haben uns mit mehreren Kameraden seit heute Nachmittag in Bacharach aufgehalten und in der Pfalzgrafenschänke gegessen. Wir sind ab und zu gegangen auch mittlerweile einmal ausgetreten. Gegen 20,30 Uhr war ich ausgetreten und hörte, dass in der Schänke ein Unfall passiert und ein Arzt gerufen worden sei". Er ging ins Lokal und sah die beiden. Marzi hatte diese Personengruppe am Nachmittag in Bacharach getroffen und ihnen auf Nachfrage den Weg zur Pfalzgrafenschänke gezeigt.
Bei dem Erschossenen handelte es sich um Reinhold Muchow. Er war als Sohn eines Schriftsetzers am 21. Dezember 1905 in dem Arbeiterviertel Berlin-Neukölln geboren worden. Nachdem sein Vater als Soldat eingezogen worden war, erkrankte seine Mutter schwer und wurde zur Erholung verschickt. Er und seine beiden Geschwister lernten daher, sehr früh selbständig zu werden. Muchow besuchte die Volksschule und entwickelte sein Talent im Zeichnen und Organisieren. Gerne wäre er Konstruktionszeichner geworden, für eine solche Ausbildung fehlte den Eltern allerdings das Geld. Er begann eine Tätigkeit als Handlungsgehilfe bei Agfa und nahm als Gast an Vorlesungen der Universität Berlin teil. Über die Jugendarbeit des Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes kam er mit der völkischsozialen Bewegung in Berührung, 1920 trat er der Deutschsozialen Partei und dem Bund "Oberland" bei, der später verboten wurde. Die Deutschsoziale Partei verließ er bald wieder. Im Dezember 1925 wurde er Mitglied der Ortsgruppe Neukölln der NSDAP, die im Februar desselben Jahres ins Leben gerufen worden war. Sie stand wie die meisten anderen 1924/25 entstandenen nationalsozialistischen Ortsgruppen in Norddeutschland organisatorisch und ideologisch unter dem Einfluss der Gebrüder Strasser, die ein sozialistischantibürgerliches, proletarischrevolutionäres Konzept vertraten. Er wurde dort Schriftführer, kassierte Beiträge, verteilte Flugzettel und nahm am Saalschutz teil.
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