Heimatblatt Nr. 057
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Leseprobe
Kindergottesdienst in Oberdiebach
Ein Winzerdorf am Mittelrhein im Frühjahr 1960. Es ist Sonntagvormittag, viertel vor elf.
Auf dem Kirchhof, hoch über dem Dorf gelegen, laufen Kinder zwischen Buchsbäumen und Lorbeersträuchern umher, spielen Fangen und Verstecken. Nur das Denkmal für die gefallenen Soldaten, von manchen auch als Krieger- oder Heldendenkmal bezeichnet, ist als Spielplatz verboten. Die ruhigeren Kinder sitzen auf der breiten, an ihrer abfallenden Seite mit Efeu bewachsenen Schiefermauer oder unter dem Kastanienbaum und unterhalten sich. - Alle warten darauf, dass das Eingangsportal geöffnet wird und der Pfarrer die erwachsenen Gottesdienstbesucher mit einem Handschlag verabschiedet.
Manchmal taucht aus dem Seiteneingang beim Glockenturm der Küster auf und ermahnt einige Kinder, doch bitte etwas leiser zu sein.
Wenn gegen elf die Orgel plötzlich aufheult, weil von innen beide Flügel des Kirchenportals geöffnet wurden, stellen sich alle Kinder hintereinander auf und warten, bis der letzte Gottesdienstbesucher die Kirche verlassen hat und der Pfarrer den Wartenden ein Zeichen gibt.
Das dauert auch nicht lange, denn mit einem festen Händedruck und einer energischen Armbewegung bugsiert der Pfarrer allzu gesprächige Erwachsene geschickt in Richtung Ausgang. Schließlich muss er noch für eine gute halbe Stunde den Kindergottesdienst halten.
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