Heimatblatt Nr. 055

Titelbild

Postkarte aus den 1920er Jahren mit Blick auf den Holzmarktturm. Das kleine Haus in der Mitte, das sich an den überdachten Wehrgang lehnt, wurde später abgerissen.

Inhaltsverzeichnis

  • ln eigener Sache
  • Es stand in der Zeitung
  • Geboren in Bacharach: Der Bildhauer Ulrich Conrad
  • Als in Bacharach das Einkaufen noch ohne Auto möglich war Leseprobe
  • Am Kräuterweg 10 in Oberdiebach

Leseprobe

Leseprobe  Walter Zahn: Als in Bacharach das Einkaufen noch ohne Auto möglich war

Wer heute in Bacharach seinen täglichen Bedarf an Lebensmitteln und anderen Haushaltsgegenständen einkaufen will, hat nur noch eine begrenzte Auswahl.

Von der früher zahlreichen Geschäftswelt und den vielfältigen Einkaufsmöglichkeiten an Lebensmitteln ist nur noch die Bäckereifiliale des Backhauses Lüning in der Oberstraße und im Bereich Lebensmittel Tomi's Supermarkt, ein kleiner, gut sortierter Lebensmittelmarkt in der Koblenzer-Straße verblieben. Haushaltswaren und Arbeitshilfen für den Haushalt und Kellereiartikel werden auch heute noch von der Familie Heisecke verkauft.

Erste Angaben über die Anzahl von Geschäften verschiedener Branchen in Bacharach finden wir in einem "Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten der Stadt Bacharach" für das Jahr 1900. Danach weist Gewerbesteuerrolle des Jahres 1900 folgende Gewerbearten auf:

Accidenzdruckerei: 1
Alkoholhandel: 2
Apotheker: 1
Bauunternehmer: 1
Bäckerei/Konditorei: 9
Viehwirtschaft: 1
Blechwaren: 2
Branntweinhandel: 1
Branntweinbrennerei: 1
Buchbinderei: 2
Schokoladehandel: 1
Champagnerfabrik: 1
Delikatessenhandel: 1
Droguenniederlage: 1
Eisenwarenhandel: 2
Fischhandel: 1
Frachtschiffahrt: 1
Gerberei: 1
Galanteriewaren: 2
Gastwirtschaften: 8
Gemüsehandel: 1
Glaswaren: 1
Goldwaren: 1
Herrenkonfektion: 1
Kaffeegeschäft: 1
Klempner: 1
Kohlenhandel: 2
Krämer: 2
Kurzwaren: 3
Lampengeschäft: 1
Laubsägefabrik: 2
Lederhandel: 1
Liquergeschäft: 1
Lohnfuhrbetrieb: 2
Lotteriegeschäft: 1
Makler: 1
Manufakturwaren: 4
Metzgereien: 5
Porzellangeschäft: 1
Putzgeschäft: 1
Schiffer: 1
Schenkwirtschaft: 5
Schiefergruben: 1
Schlosser: 2
Schuhwaren: 1
Schuhmacher: 10
Silberwaren: 1
Spezereien: 6
Strumpfstrickerei: 1
Südweinhandel: 1
Uhrenhandel: 1
Tresterbrennerei: 2
Weinhandlungen: 24
Weinkommissionen: 1

Anzahl selbständige Handwerker:
Anstreicher 7, Bäcker/Konditor 9, Barbier/Friseur 3, Buchbinder 2, Dachdecker 3, Glaser 1, Hut-/Schirmmacher 2, Klempner 2, Küfer 6, Maurer 2, Metzger 7, Sattler 1, Schlosser 3, Schmiede 2, Schneider 5, Schornsteinfeger 1, Schreiner 6, Schuhmacher 10 und Uhrmacher 3.

Aber auch in diesem Bericht vor 120 Jahren wird schon bedauert, dass durch die Eisenbahn und dadurch, dass auch in Niederheimbach eine Haltestelle eingelegt wurde, den Bewohnern der Bürgermeisterei Bacharach und auch Niederheimbachs die "Gelegenheit gegeben sei, billig zu reisen und ihre Einkäufe auswärts, hauptsächlich in Bingen zu machen."

Wenn wir heute zum Einkauf durch den Supermarkt gehen, kommt uns das kleine Ladengeschäft der Vergangenheit manchmal wie eine kleine Idylle vor. Dort waren zwar längst nicht alle Lebensmittel, die wir heute für lebensnotwendig halten, vorrätig, doch es gab etwas, was man heute allenthalben vermisst: Überschaubarkeit von Verkaufsraum und Angebot.

An die Türglocke, die ertönte, wenn man den kleinen Verkaufsraum betrat, können sich nur noch ältere Bacharacher erinnern.

Bei den früheren sogenannten "Kolonialwarenläden" wurde man von den verschiedensten Gerüchen empfangen. Da konnte es nach Petroleum (für die Lampen), nach Gewürzen, Kernseife oder den Heringen im Fass riechen. Ohne Geruch, aber gut sichtbar aufgestellt, waren die wenigen Bonbonsorten für die Kinder, die abgezählt verkauft wurden. Der ehemalige Bacharacher Hans

Der ehemalige Bacharacher Hans Eckstaedt schreibt in seinen Kindheitserinnerungen, wie er im Jahr 1905 "schon mit fünf Jahren die Einkäufe für seine Mutter durchführt. Beim Bäcker holte ich das Brot. Die Brötchen wurden morgens zugestellt. Die anderen Lebensmittel, auch Petroleum und Bier, kaufte ich bei meinem Onkel ein. (.) Er freute sich immer, wenn ich mit der gelben Petroleumkanne zu ihm kam. Ich habe noch vor Augen, wie er die großen Blöcke Schweizer und Holländer Käse mit einem riesengroßen Messer zerlegte und fein säuberlich gleichmäßige, dünne Scheiben davon abschnitt. Sonntags ging ich vor Ladenschluss gegen 3 Uhr zu ihm, um für meinen Vater noch Zigarren zu kaufen."

Die auf Regalen, in Schubladen, Gläsern und Dosen zum Verkauf gelagerten Waren erlaubten keine Selbstbedienung, was sich die Ladenbesitzer in der damaligen Zeit auch sehr verbeten hätten.

Den heute beklagten Verpackungswahnsinn kannte man zu dieser Zeit nicht. Die gewünschte Ware wurde in groben, spitzen oder rechteckigen Papiertüten verpackt und abgewogen. In mitgebrachten Milchkannen oder Flaschen wurde Flüssiges abgefüllt und über den Verkaufstresen gereicht. Im Vergleich zu heute wurde von den Kunden meist nur das wirklich notwendige gekauft, denn Obst, Gemüse und Kartoffeln zog man sich meist im eigenen Garten. Hatte man Platz für Hühner, konnten auch regelmäßig Eier für die Küche eingesammelt werden.

Ein "Kleiner Führer durch Bacharach" von Hermann Conrad, aus dem Jahr 1932, informierte die Besucher von Bacharach auf mehreren Seiten darüber, wo sie Ärzte, Medikamente, Obst, Blumen, Andenken und sonstige Einkaufsmöglichkeiten finden konnten. Von den vielen Möglichkeiten ist hier eine kleine Auswahl wiedergegeben:
... weiter im Heft ....

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