Heimatblatt Nr. 50
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Inhaltsverzeichnis
Leseprobe
Der Rhein, seine Reisenden, Patrioten und Dichter, Teil II Die Reisen auf dem Rhein
[Autor/in: Karl-Ernst Linz]
Schon in früher Zeit benutzten Reisende den Rhein als Wasserstraße
Schon lange bevor Patrioten und Dichter den Rhein als den Strom Deutschlands herausstellten, war der Rhein schon Wasserstraße für die verschiedensten Reisenden, die ohne Pathos den Rhein befuhren. Für Kaufleute, Pilger und Menschen, die reisen mussten, war die Fahrt mit dem Schiff die einfachste Art der Fortbewegung. Darunter waren auch Künstler. Einen will ich nennen, der 1654 von Köln nach Mainz reiste. Es war der Komponist und berühmte Cembalovirtuose Johann Jacob Froberger. Auf der Reise machte er Station in St. Goar. Er berichtet von einer durchzechten Nacht und einem glimpflich verlaufenen Schiffsunglück, das er in einer Suite für Cembalo mit dem Titel "Am Rhein zu St. Gewöhr" verarbeitete.
Sogar eine englische Delegation mit politischen Aufträgen reiste 1636 auf dem Rhein bis zur Donau, wobei sie den Rhein als günstige Wasserstraße benutzte. So brauchte die Delegation mit der Kutsche von London bis zum Rhein 14 Tage, wo sie ein Boot bestiegen und weiterfuhr.
Wenzel Hollar (1607-1677), ein junger Mann aus Prag, hat die Reise aufgezeichnet. Im Alter von zwanzig Jahren reiste er durch Deutschland und erlebte die Grausamkeiten des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648). Später ließ er sich in England nieder.
Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein
Als Bild unseres Vaterlandes bezeichnet Friedrich Schlegel den Rhein. Dazu hat sicher auch die Besetzung des linken Rheinufers durch die Franzosen beigetragen. Ein solches Gebiet musste Brennpunkt politischer Auseinandersetzungen sein. Dieser jahrhundertelange Streit schlug dem Land immer wieder schwere Wunden. Städte und Burgen tragen heute noch Zeichen der zerstörerischen Kräfte dieser Kriege. Besonders in den Stimmen der Dichter, die in einem Volk lebten, das sich seiner deutschen Herkunft bewusst war, musste sich der Widerstand gegen die Fremden regen. Das Rheinland war Grenzland. "Hier flog nach Eichendorff der römische Adler vor dem Volke her, das den Erdkreis überzog. Aus diesem Land steigt die Herrlichkeit des Mittelalters, das Imperium der deutschen Nation empor. In diesem Raum liegt Aachen, die Lieblingspfalz Karls des Großen und liegen die Stätten deutscher und der abendländischer Geschichte." Sehr schwer hatte dieses Grenzland auch unter dem jahrelangen Druck der napoleonischen Besetzung gelitten. In zahlreichen Liedern riefen die Dichter die Deutschen auf, den Rhein zu verteidigen.
Wortführer der patriotischen Dichter war der Sohn des Flößermeisters Johann Josef Görres, der nur einen Steinwurf weit vom Ufer des Rheins in Koblenz geboren wurde. Mit jugendlicher Begeisterung hatte er einst den Freiheitsruf der französischen Revolution aufgenommen und wurde später zum erbittertsten Gegner des Korsen. Im "Rheinischen Merkur", dessen Herausgeber er von 1814 bis 1819 war, schreibt er: "Der Rhein ist Deutschlands hochschlagende Pulsader, wir aber, am nächsten der bedrohten Grenze im Abendland müssen eine feste Wehrmauer und ein Schutz dem Vaterland werden, das ein müßig, indulent (empfindlich, gleichgültig, träge) und zaghaft Volk dort am gefährlichsten Punkte nicht dulden kann. Darum auf, ihr Jünglinge in allen diesen Landen! Deutschland soll wissen, daß ihr nicht vom alten Stamme entartet seid; die Franzosen sollen erfahren, daß man ihr aberwitzig schlechtes Tun und Treiben aus ganzer Seele verabscheut; daß diese Völker mehr als den Tod und in den Tod sie hassen; daß wir lieber sterben wollen, als sie wiederkehren sehen. Nicht wollen wir die Freiheit als eine Gabe uns erbetteln, nein, sie soll uns durch eigene Macht gewonnen sein; nicht einmal unser Vaterland soll uns gegeben werden, wir wollen es uns selber nehmen. Wenn vielleicht nach Jahren im Norden die Flamme wieder erloschen ist, dann muß sie noch nachglühen hier an unserem Rheine; denn das Herzblut Deutschlands kreist in seinem Bette, und der Wein der Begeisterung fließt in unseren Adern." Der 1809 in Bonn geborene Nikolaus Becker dichtete sein "Rheinlied", das er 1840 in der "Trierschen Zeitung" veröffentlichte. Mit dem Vers "Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein" wurde er berühmt. Es war die Antwort auf die Rede des Dichters Alphonse de Lamartine vom 11. Januar 1840, mit der dieser in der französischen Kammer Frankreichs Anspruch auf die Rheingrenze zum Ausdruck gebracht hatte. Im selben Jahr entstand auch Schneckenburgers "Wacht am Rhein".
Ernst Moritz Arndt, Professor für Geschichte in Bonn, mit Freiherr von Stein Mitglied des deutschen Widerstands gegen Napoleon, verfasste 1813 seine Flugschrift "Der Rhein, Deutschlands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze". Sie hatte eine sehr große Resonanz. Er schrieb: "Was seht ihr? Was fühlet ihr? Ihr sehet das Land, das euch an die herrlichsten Arbeiten und Kämpfe eurer Väter ermahnet, ihr sehet die Ursprünge und Anfänge eures Volkes, die ältesten und heiligsten Erinnerungen des Reiches der Deutschen, die Wiege eurer Bildung, die Städte, wo eure Kaiser gewählt, gekrönt und gesalbt wurden, die Grüfte, wo eure Kaiser, eure Erzkanzler, eure Erzbischöfe schlafen, die Denkmäler eures Ruhmes und eurer Größe, wohin ihr blicket, wohin ihr tretet". Über 150 Jahre sind vergangen seit jenen Jahren, in denen der Patriotismus die Köpfe so mancher Dichter erhitzte und Schillers Wunsch, dass der Rheinstrom nicht mehr zum "Peinstrom" Deutschlands werden möge, ist heute zum Glück Wirklichkeit geworden.
Clemens Brentano, Heinrich Heine und der Mythos Loreley
Clemens Brentano wurde am 9. September 1778 im Haus seiner Großeltern La Roche in Ehrenbreitstein als Sohn einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie geboren. Musisch begabt, geriet er schon früh in den Bann der jungen romantischen Bewegung. Er studierte Philosophie in Göttingen. 1801 schrieb er den Roman Godwi, der, wie seine anderen Werke, von magischem Naturgefühl und geheimnisvoller Phantasie erfüllt ist. Dieses erste Prosawerk spiegelt die innere Zerrissenheit des Romantikers Brentano mit seinem "unsteten Sinn, der ewig nach der Fremde strebt", aber auch die tiefe Menschlichkeit, die großen Gefühle und Leidenschaften des Dichters.
Im zweiten Teil des "Godwi" erblickte zwischen 1799 und 1802 die Frauengestalt Loreley das Licht der Welt und zwar in Form des Liedes der Violetta, der Ballade "Zu Bacharach am Rheine".
Neben diesem Entwurf existiert noch eine zweite Fassung, in der die Frauengestalt "Lure Lay" genannt wird. Brentano deutet hierin den Bezug zum Felsen in einer Fußnote an. Dort eißt es: "Bei Bacharach steht dieser Felsen, Lore Lay genannt, alle vorbeifahrenden Schiffer rufen ihn an und freuen sich dies vielfachen Echos".
Es dauerte nicht lange, bis Brentanos Zauberin auf dem heutigen Loreleyfelsen saß und im Mythos weiterlebt.
Die Verbindung des schroffen Felsens mit der schönen Hexe Loreley geht auf den antiken Echo-Mythos zurück, den uns Ovid in seinen Metamorphosen überliefert hat. Am Loreleyfelsen war das berühmte Echo zu hören, das nicht nur Josephine, Gemahlin Napoleons, mit ihren Hofdamen begeisterte.
Um die umtriebige Nymphe Echo von ihrem liebestollen Gatten Zeus fern zu halten, sorgte Juno dafür, dass die Nymphe Echo nur die letzten Worte ihrer Anbeter wiederholen konnte. Das führte im Fall des von Echo begehrten schönen Narziß zu tragischen Missverständnissen. Narziß verschmähte daraufhin die schöne Nymphe, die von da an in einsamen Höhlen leben musste. Sie wurde zu Stein und blieb unsichtbar. Man konnte sie nur noch hören.
Verschmähte Liebe mit tödlichen Folgen, eine versteinerte unsichtbare Nymphe in einem Felsen, das Echo. Es lag also nahe, den bekannten, antiken Mythos mit dem Loreleyfelsen zu verbinden. Eine Verbindung, die in die Zeit der Romantik passte.
Der Zeichner Joseph Nicolaus Peroux schuf die erste bildliche Darstellung der Frauengestalt Loreley. Sie wurde in der Susenbethschen Steindruckerei in Frankfurt in Stein gearbeitet und gedruckt und diente als Illustration der Ballade "Zu Bacharach am Rheine" von Clemens Brentano in der Prachtausgabe der von Nicolaus Vogt 1821 herausgegebenen "Rheinischen Bilder". 1815 erschien in dem Roman "Ahnung und Gegenwart" von Joseph von Eichendorff eine Romanze, die auch von einem geheimnisvollen Felsen am Rhein erzählt. Romanzen haben meist einen versöhnlichen Ausgang. Doch hier führt die Hexe Lorelei den Liebhaber, der voll Sehnsucht nach ihr verlangt, in den Tod:
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