Heimatblatt Nr. 50

Titelbild

Seraphim an der Südseite des Langhauses von St. Peter, Bacharach. Fresko aus dem 13./14. Jh. nicht mehr erhalten. Es wurde allerdings in einem Führer über Bacharach von 1955 noch erwähnt. Foto aus den 1940er Jahren, Kunsthistorisches Institut Mainz, Bildarchiv Foto Marburg (mit freundlicher Genehmigung).

Inhaltsverzeichnis

  • ln eigener Sache
  • Es stand in der Zeitung
  • Briefe des Bacharacher Winzers und Weinhändlers Johannes Lieberz an seine Kinder, Zweiter Teil
  • Apothekengeschichte von Bacharach
  • Der Rhein, seine Reisenden, Patrioten und Dichter, Teil II Leseprobe
  • Besuch aus Amerika
  • Medenscheider Lasten unter Napoleon
  • Gänsesuppe
  • Eine Lutherreise im Reformationsjahr
  • 20jähriges Jubiläum Beendigung der Restauration der Wernerkapelle

Leseprobe

Leseprobe  Der Rhein, seine Reisenden, Patrioten und Dichter, Teil II
Die Reisen auf dem Rhein

[Autor/in: Karl-Ernst Linz]

Schon in früher Zeit benutzten Reisende den Rhein als Wasserstraße

Schon lange bevor Patrioten und Dichter den Rhein als den Strom Deutschlands herausstellten, war der Rhein schon Wasserstraße für die verschiedensten Reisenden, die ohne Pathos den Rhein befuhren. Für Kaufleute, Pilger und Menschen, die reisen mussten, war die Fahrt mit dem Schiff die einfachste Art der Fortbewegung. Darunter waren auch Künstler. Einen will ich nennen, der 1654 von Köln nach Mainz reiste. Es war der Komponist und berühmte Cembalovirtuose Johann Jacob Froberger. Auf der Reise machte er Station in St. Goar. Er berichtet von einer durchzechten Nacht und einem glimpflich verlaufenen Schiffsunglück, das er in einer Suite für Cembalo mit dem Titel "Am Rhein zu St. Gewöhr" verarbeitete.

Sogar eine englische Delegation mit politischen Aufträgen reiste 1636 auf dem Rhein bis zur Donau, wobei sie den Rhein als günstige Wasserstraße benutzte. So brauchte die Delegation mit der Kutsche von London bis zum Rhein 14 Tage, wo sie ein Boot bestiegen und weiterfuhr.

Wenzel Hollar (1607-1677), ein junger Mann aus Prag, hat die Reise aufgezeichnet. Im Alter von zwanzig Jahren reiste er durch Deutschland und erlebte die Grausamkeiten des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648). Später ließ er sich in England nieder.

Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein

Als Bild unseres Vaterlandes bezeichnet Friedrich Schlegel den Rhein. Dazu hat sicher auch die Besetzung des linken Rheinufers durch die Franzosen beigetragen. Ein solches Gebiet musste Brennpunkt politischer Auseinandersetzungen sein. Dieser jahrhundertelange Streit schlug dem Land immer wieder schwere Wunden. Städte und Burgen tragen heute noch Zeichen der zerstörerischen Kräfte dieser Kriege. Besonders in den Stimmen der Dichter, die in einem Volk lebten, das sich seiner deutschen Herkunft bewusst war, musste sich der Widerstand gegen die Fremden regen. Das Rheinland war Grenzland. "Hier flog nach Eichendorff der römische Adler vor dem Volke her, das den Erdkreis überzog. Aus diesem Land steigt die Herrlichkeit des Mittelalters, das Imperium der deutschen Nation empor. In diesem Raum liegt Aachen, die Lieblingspfalz Karls des Großen und liegen die Stätten deutscher und der abendländischer Geschichte." Sehr schwer hatte dieses Grenzland auch unter dem jahrelangen Druck der napoleonischen Besetzung gelitten. In zahlreichen Liedern riefen die Dichter die Deutschen auf, den Rhein zu verteidigen.

Wortführer der patriotischen Dichter war der Sohn des Flößermeisters Johann Josef Görres, der nur einen Steinwurf weit vom Ufer des Rheins in Koblenz geboren wurde. Mit jugendlicher Begeisterung hatte er einst den Freiheitsruf der französischen Revolution aufgenommen und wurde später zum erbittertsten Gegner des Korsen. Im "Rheinischen Merkur", dessen Herausgeber er von 1814 bis 1819 war, schreibt er: "Der Rhein ist Deutschlands hochschlagende Pulsader, wir aber, am nächsten der bedrohten Grenze im Abendland müssen eine feste Wehrmauer und ein Schutz dem Vaterland werden, das ein müßig, indulent (empfindlich, gleichgültig, träge) und zaghaft Volk dort am gefährlichsten Punkte nicht dulden kann. Darum auf, ihr Jünglinge in allen diesen Landen! Deutschland soll wissen, daß ihr nicht vom alten Stamme entartet seid; die Franzosen sollen erfahren, daß man ihr aberwitzig schlechtes Tun und Treiben aus ganzer Seele verabscheut; daß diese Völker mehr als den Tod und in den Tod sie hassen; daß wir lieber sterben wollen, als sie wiederkehren sehen. Nicht wollen wir die Freiheit als eine Gabe uns erbetteln, nein, sie soll uns durch eigene Macht gewonnen sein; nicht einmal unser Vaterland soll uns gegeben werden, wir wollen es uns selber nehmen. Wenn vielleicht nach Jahren im Norden die Flamme wieder erloschen ist, dann muß sie noch nachglühen hier an unserem Rheine; denn das Herzblut Deutschlands kreist in seinem Bette, und der Wein der Begeisterung fließt in unseren Adern." Der 1809 in Bonn geborene Nikolaus Becker dichtete sein "Rheinlied", das er 1840 in der "Trierschen Zeitung" veröffentlichte. Mit dem Vers "Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein" wurde er berühmt. Es war die Antwort auf die Rede des Dichters Alphonse de Lamartine vom 11. Januar 1840, mit der dieser in der französischen Kammer Frankreichs Anspruch auf die Rheingrenze zum Ausdruck gebracht hatte. Im selben Jahr entstand auch Schneckenburgers "Wacht am Rhein".

Ernst Moritz Arndt, Professor für Geschichte in Bonn, mit Freiherr von Stein Mitglied des deutschen Widerstands gegen Napoleon, verfasste 1813 seine Flugschrift "Der Rhein, Deutschlands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze". Sie hatte eine sehr große Resonanz. Er schrieb: "Was seht ihr? Was fühlet ihr? Ihr sehet das Land, das euch an die herrlichsten Arbeiten und Kämpfe eurer Väter ermahnet, ihr sehet die Ursprünge und Anfänge eures Volkes, die ältesten und heiligsten Erinnerungen des Reiches der Deutschen, die Wiege eurer Bildung, die Städte, wo eure Kaiser gewählt, gekrönt und gesalbt wurden, die Grüfte, wo eure Kaiser, eure Erzkanzler, eure Erzbischöfe schlafen, die Denkmäler eures Ruhmes und eurer Größe, wohin ihr blicket, wohin ihr tretet". Über 150 Jahre sind vergangen seit jenen Jahren, in denen der Patriotismus die Köpfe so mancher Dichter erhitzte und Schillers Wunsch, dass der Rheinstrom nicht mehr zum "Peinstrom" Deutschlands werden möge, ist heute zum Glück Wirklichkeit geworden.

Clemens Brentano, Heinrich Heine und der Mythos Loreley

Clemens Brentano wurde am 9. September 1778 im Haus seiner Großeltern La Roche in Ehrenbreitstein als Sohn einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie geboren. Musisch begabt, geriet er schon früh in den Bann der jungen romantischen Bewegung. Er studierte Philosophie in Göttingen. 1801 schrieb er den Roman Godwi, der, wie seine anderen Werke, von magischem Naturgefühl und geheimnisvoller Phantasie erfüllt ist. Dieses erste Prosawerk spiegelt die innere Zerrissenheit des Romantikers Brentano mit seinem "unsteten Sinn, der ewig nach der Fremde strebt", aber auch die tiefe Menschlichkeit, die großen Gefühle und Leidenschaften des Dichters.

Im zweiten Teil des "Godwi" erblickte zwischen 1799 und 1802 die Frauengestalt Loreley das Licht der Welt und zwar in Form des Liedes der Violetta, der Ballade "Zu Bacharach am Rheine".

Neben diesem Entwurf existiert noch eine zweite Fassung, in der die Frauengestalt "Lure Lay" genannt wird. Brentano deutet hierin den Bezug zum Felsen in einer Fußnote an. Dort eißt es: "Bei Bacharach steht dieser Felsen, Lore Lay genannt, alle vorbeifahrenden Schiffer rufen ihn an und freuen sich dies vielfachen Echos".

Es dauerte nicht lange, bis Brentanos Zauberin auf dem heutigen Loreleyfelsen saß und im Mythos weiterlebt.

Die Verbindung des schroffen Felsens mit der schönen Hexe Loreley geht auf den antiken Echo-Mythos zurück, den uns Ovid in seinen Metamorphosen überliefert hat. Am Loreleyfelsen war das berühmte Echo zu hören, das nicht nur Josephine, Gemahlin Napoleons, mit ihren Hofdamen begeisterte.

Um die umtriebige Nymphe Echo von ihrem liebestollen Gatten Zeus fern zu halten, sorgte Juno dafür, dass die Nymphe Echo nur die letzten Worte ihrer Anbeter wiederholen konnte. Das führte im Fall des von Echo begehrten schönen Narziß zu tragischen Missverständnissen. Narziß verschmähte daraufhin die schöne Nymphe, die von da an in einsamen Höhlen leben musste. Sie wurde zu Stein und blieb unsichtbar. Man konnte sie nur noch hören.

Verschmähte Liebe mit tödlichen Folgen, eine versteinerte unsichtbare Nymphe in einem Felsen, das Echo. Es lag also nahe, den bekannten, antiken Mythos mit dem Loreleyfelsen zu verbinden. Eine Verbindung, die in die Zeit der Romantik passte.

Lurelei

Clemens Brentano,
Zu Bacharach am Rheine
wohnt' eine Zauberin,
die war so schön und feine
und riß viel Herzen hin. Und machte viel zu Schanden
der Männer rings umher,
aus ihren Liebesbanden
war keine Rettung mehr. Der Bischof ließ sie laden
vor geistliche Gewalt,
und mußte sie begnaden,
so schön war ihr Gestalt! Er sprach zu ihr gerühret:
"Du arme Lorelei!/ Wer hat dich denn verführet
zu böser Zauberei?" "Herr Bischof, laßt mich sterben,
ich bin des Lebens müd,
weil jeder muss verderben,
der meine Augen sieht!" Die Augen sind zwei Flammen,
mein Arm ein Zauberstab,-
o schick mich in die Flammen,
o brechet mir den Stab!" "Den Stab kann ich nicht brechen,
du schöne Loreley
Ich müßte dann zerbrechen
mein eignes Herz entzwei! Ich kann dich nicht verdammen,
bis du mir erst bekennt,
warum in deinen Flammen
mein eignes Herz schon brennt!" "Herr Bischof, mit mir Armen
treibt nicht so bösen Spott,
und bittet um Erbarmen
für mich den lieben Gott! Ich darf nicht länger leben,
ich liebe keinen mehr,
den Tod sollt Ihr mir geben,
drum kam ich zu Euch her! Mein Schatz hat mich betrogen,
hat sich von mir gewandt,
ist fort von mir gezogen,
fort in ein fremdes Land! Die Augen sanft und wilde,
die Wangen rot und weiß,
die Worte still und milde,
die sind mein Zauberkreis! Ich selbst muß drin verderben,
das Herz tut mir so weh;
vor Jammer möcht' ich sterben,
wenn ich mein Bildnis seh! Drum laßt mein Recht mich finden,
mich sterben wie ein Christ,
denn alles muß verschwinden,
weil es mir treulos ist!" Drei Ritter läßt er holen:
"Bringt sie ins Kloster hin!
Geh, Lore! Gott befohlen
sei dein berückter Sinn! Du sollst ein Nönnchen werden,
ein Nönnchen schwarz und weiß,
bereite dich auf Erden
zum Tod mit Gottes Preis!" Zum Kloster sie nun ritten,
die Ritter alle drei,
und traurig in der Mitten
die schöne Loreley. " O Ritter, laßt mich gehen
auf diesen Felsen groß,
ich will noch einmal sehen
nach meines Lieben Schloß! Ich will noch einmal sehen
wohl in den tiefen Rhein,
und dann ins Kloster gehen
und Gottes Jungfrau sein!" Der Felsen ist so jähe,
so steil ist seine Wand,
doch klimmt sie in die Höhe,
bis daß sie oben stand. Es binden die drei Ritter
die Rosse unten an,
und klettern immer weiter
zum Felsen auch hinan. Die Jungfrau sprach: "Da wehet
ein Segel auf dem Rhein,
der in dem Schifflein stehet,
der soll mein Liebster sein! Mein Herz wird mir so munter,
es muß mein Liebster sein!" -
Da lehnt sie sich hinunter/ und stürzet in den Rhein. Die Ritter mußten sterben,
sie konnten nicht hinab;
sie mußten all' verderben,
ohn' Priester und ohn' Grab! Wer hat dies Lied gesungen?
Ein Schiffer auf dem Rhein,
und immer hat geklungen
vom hohen Felsenstein:
Lorelei!
Lorelei!
Lorelei!
Als wären es meiner drei!

Der Zeichner Joseph Nicolaus Peroux schuf die erste bildliche Darstellung der Frauengestalt Loreley. Sie wurde in der Susenbethschen Steindruckerei in Frankfurt in Stein gearbeitet und gedruckt und diente als Illustration der Ballade "Zu Bacharach am Rheine" von Clemens Brentano in der Prachtausgabe der von Nicolaus Vogt 1821 herausgegebenen "Rheinischen Bilder". 1815 erschien in dem Roman "Ahnung und Gegenwart" von Joseph von Eichendorff eine Romanze, die auch von einem geheimnisvollen Felsen am Rhein erzählt. Romanzen haben meist einen versöhnlichen Ausgang. Doch hier führt die Hexe Lorelei den Liebhaber, der voll Sehnsucht nach ihr verlangt, in den Tod:

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