Heimatblatt Nr. 49

Titelbild

Bildnis Frau Gedicke (Ehefrau von Car1 Emil Gedicke, Leiter der Königlich-Preußischen Krankenwartschule an der Charite), von Karl Begas dem Älteren, 1830, Öl auf Leinwand, Staatl. Museen zu Ber1in, Preußischer Kulturbesitz, Nationalgalerie, im Hintergrund die Wemerkapelle.

Inhaltsverzeichnis

  • ln eigener Sache
  • Es stand in der Zeitung
  • Der Rhein, seine Reisenden, Patrioten und Dichter, Teil I Leseprobe
  • Überlegungen zum Jahrtausendhochwasser von 1342 im oberen Mittelrheintal
  • Briefe des Bacharaeher Winzers und Weinhändlers
  • Johannes Lieberz an seine Kinder

Leseprobe

Leseprobe  Der Rhein, seine Reisenden, Patrioten und Dichter, Teil I
Die Reisen auf dem Rhein

[Autor/in: Karl-Ernst Linz]

Ließen sich im 18. Jahrhundert Wissenschaftler und Künstler noch nicht von dem Zauber des Rheins einfangen, so waren die Reisenden im 19. Jahrhundert fasziniert von der Rheinlandschaft, ihren Burgen und Sagen. So fuhr 1790 der Schriftsteller Georg Forster mit dem berühmten Naturforscher Alexander von Humboldt den Rhein hinab.

Humboldt war damals schon von der Landschaft begeistert, während Forster von der "nüchternen Regelmäßigkeit der Rebenhänge, die der rheinischen Landschaft etwas Kleinliches geben" unberührt blieb. Er bezeichnete das Stromtal zwischen Bingen und Koblenz als "nackt und in seiner Einförmigkeit ermüdend". Die Lage der Städtchen fand er "melancholisch und schauderhaft". Den Loreleyfelsen als besondere Attraktion gab es noch nicht, wie wir auf dem folgenden Bild sehen. Auch als mythischer Ort wird er noch nicht hervorgehoben.

Von der Vielzahl der Reiseberichte, die im 19. Jahrhundert entstanden, möchte ich einige hier wiedergegeben. So schildert Heinrich von Kleist 1801 eine Rheinfahrt, die zu den frühesten, eindrucksvollsten dichterischen Aussagen über die Stromlandschaft gilt: "Ach, Wilhelmine, das ist eine Gegend wie ein Dichtertraum, und die üppigste Phantasie kann nichts schöneres erdenken, als dieses Tal, das sich bald öffnet, bald schließt, bald blüht, bald öde ist, bald lacht, bald schreckt ... Aber still und breit und majestätisch strömt er bei Bingen heran."

Auf der Weiterreise erlebt er eine Sturmfahrt:
"... Die Wellen, die auf diesem breiten, mächtigen Strome nicht so unbedeutend sind als die Wellen der Oder, ergriffen das Schiff an seiner Fläche und schleuderten es so gewaltig, daß es durch sein höchstgefährliches Schwanken die ganze Gesellschaft in Schrecken setzte. Ein jeder klammerte, alles andere vergessend, an einen Balken an ... "

Ludwig Achim von Arnim berichtet von einer Reise auf dem Postschiff:
"Auf den Postschiffen ist ein herrliches Leben, ganz wie im Himmelreich, nur nicht umsonst, und etwas heißer. Die Rheinländer sind ein so edles Volk wie ihr Wein; sie haben außerdem Sinn für Dichtung, eine helle, klingende, hohe Stimme, besonders die Schiffer ... "

Für die Mutter des Philosophen Arthur Schopenhauer wird die Pfalz bei Kaub zu einem Schiff mit Segeln: "Die Täuschung, welche sie hervorbringt, ist wirklich unglaublich groß; in der Ferne gleichen die vielen kleinen, übereinander aufsteigenden weißen Türme vom Winde ausgedehnten Segeln auf das vollkommenste, und das ganze Gebäude scheint wirklich zu schwimmen, weil es den Fels, auf dem es steht, überall bedeckt. Der Pfalz gegenüber liegen die dunklen Mauern der alten Stadt Kaub, und hoch über ihnen erheben sich die schönen Ruinen der Burg Gutenfels ... " Am 19. September 1804 besuchten Napoleon und seine Gattin Josephine das Rheinland.

Das linksrheinische Gebiet war seit 1794 von den Franzosen besetzt und im Friede zu Luneville am 09. Februar 1801 offiziell französisches Staatsgebiet geworden. Die Kaiserin machte mit ihren Hofdamen eine Rheinpartie von Koblenz nach Bingen Dabei ließen sich die Damen eine besondere Attraktion am Loreleyfelsen nicht entgehen, nämlich das berühmte Echo.

Im Tagebuch heißt es: "Im Vorüberfahren hatten wir das Vergnügen, mit Hilfe eines Sprachrohrs das berühmte Echo des Lureleiberges erklingen zu lassen, das deutlich und mehrere Male die Worte wiederholte, die man ihm zuruft."

Eine Jungfrau wird noch nicht erwähnt. Jedoch dem Echo verdankte die blonde verführerische Jungfrau ihren Aufstieg auf den Felsen. Ernst von Schiller, der Sohn von Friedrich Schiller, schreibt im Juni 1819 an seine Mutter über eine Fahrt auf dem Rhein von Mainz nach Köln, wo er als Assessor am Kreisgericht seinen Dienst antreten sollte.

Die Reise verlief nicht ohne unangenehme Unterbrechungen: "Von Mainz fuhren wir am Donnerstag früh 6 Uhr ab, in einer Wasser - Diligence. Ein solches Schiff, wie täglich eins von Mainz abfährt, muß in der Regel bis Koblenz gehen. Unseres aber, von üblem Winde begleitet und von ungeschickten Menschen gelenkt, kam, nachdem wir viermal auf Sandbänke gefahren waren, den ersten Tag nur bis St Goar.".

In einem anderen Brief vom Juli 1819 schreibt er: "Das Rheingau, welches wir bis Bingen durchsegelten, ist schön. Biebrich, St. Johannisberg, Rüdesheim, Bingen nehmen Auge, Herz und Verstand in Anspruch. Die St. Rochuskapelle betrachtete ich in Gedanken an Euch.

Von Bingen aus wird das Tal eng; hohe Felsen auf beiden Seiten erinnern an die Größe der Natur. Der Mäuseturm, nahe bei Bingen, ist ein Überrest grauer Vorzeit, bei deren Andenken einen ein wehmütiges Grauen ergreift. Das Gebirge von beiden Seiten ist reich mit Wein bepflanzt, der unter dem Namen Rüdesheimer und Aßmannshäuser bis zum Nachruhm emporsteigt. Bacharach und Kaub liegen romantisch schön. Bei letzterem steht auf einer kleinen Insel das Schloß Pfalz, düster, ein Werk vergessener Tyrannei. Nun schleicht der große Rhein immer noch zwischen Bergen hin, unter denen sich der Lurleifelsen emporhebt, an welchen sich manche Sagen knüpfen. Endlich, es war schon Nacht, zeigte sich St. Goar mit vielen Lichtern. Um 2 Uhr des Nachts fuhren wir weiter ... " Seine Mutter Charlotte bemerkt später: " .. der Rhein ist von früher Zeit mein Lieblingsfluß."

Goethe erweckt den Rhein in der deutschen Literatur
Der junge Goethe ist es, der als Erster in den Zauberkreis der Rheinlandschaft gerät und dies in Worten ausdrückt, als er im Juli 1774 mit dem schweizerischen Schriftsteller Johann Kaspar Lavater und dem Pädagogen Johann Bernhard Basedow lahnabwärts fährt.

Als das Rheintal sich vor ihnen öffnet und Goethe Burg Lahneck als ritterlichen Wächter am Strom erblickt, inspiriert ihn ihr Anblick zu seinem Gedicht "Geistesgruß", in dem er erstmals die alte Ritterherrlichkeit aufleben lässt.

Die Stunde, in der diese Verse entstanden, war ein historisches Ereignis in der Geschichte der rheinischen Dichtung, es war die Erweckung des Rheins in unserer Literatur. Hier an der Mündung der Lahn nahm das seinen Anfang, was später als Rheinromantik viele in ihren Bann zog.

Für Goethe ist das Rittertum Bestätigung der eigenen Lebenshaltung. Es ist ein Zuruf der Vergänglichkeit an die Gegenwart. Freude an der körperlichen Gesundheit und Kraft und Stärke des Empfindens kommen in seinen Versen zum Ausdruck.

Der Zuruf "fahr immer, immer zu" durch den edlen Geist des Helden soll den Lebensmut bestätigen und das Fahren wird zum Urbild kraftvollen Vorwärtsstrebens.

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