Schriftenreihe - Nr. 33

Purichelli und Kirsch-Puricelli
Großunternehmer, Stifter und Mäzene

Autoren :

Dr. Dagmar Aversano-Schreiber
Christian Binz
Wolfram Dechent
Martina Pauly

Herausgeber und Verleger:

Verein für die Geschichte der Stadt Bacharach und der Viertäler e. V.
Postfach 1139
55419 Bacharach

Redaktion:

Martina Pauly und Christian Binz

Layout:

Christian Binz

Druck:

PSL Printservice Listl, 55411 Bingen

Erschienen

2015

Seiten

114

Preis:

4,00 EUR

Inhaltsverzeichnis

  • Martina Pauly
    • Überblick über die Ämter in Bacharach und den Viertälern im Hoch-, Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit
    • Bacharach und seine Zugehörigkeit zur Grundherrschaft des Erzstifts Köln
    • Ministeriale Leseprobe
    • Vogt und Vogtei
    • Schultheiß
    • Schöffen
    • Burggraf
    • Amtmann / Amtleute
    • Rat, Ratsverfassung und Stadt
    • Bacharach im Übergang vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit
    • Quellen
  • Christian Binz
    • Bedeutende Ritter-Geschlechter in Bacharach
    • Knebel von Katzenelnbogen
    • Wolf von Sponheim und Sponheim gen. Bacharach
    • Von Schönberg auf Wesel
    • Von Sickingen
    • Beziehungen zwischen den Familien
    • Stammtafeln
    • Gebäude und Ländereien
    • Die St. Michaels-Kapelle
    • Waffendienst und Bildung
    • Und der Protestantismus
    • Quellen
  • Dagmar Aversano-Schreiber
    • Die Familie der Sickinger in Bacharach
    • Schweikard VIII. und seine Fehde mit Köln
    • Die Sickinger und Kurpfalz
    • Das Haus Sickingen
    • Fazit
    • Quellen
  • Wolfram Dechent
    • Kurze Einführung in die Heraldik

Leseprobe

Ministeriale

Im Frühmittelalter waren "Ministeriales" abhängige Inhaber könig-licher Ämter, die sowohl militärische als auch politische, administrative oder wirtschaftliche Funktionen ausübten. Die Dienste dieser "Ministeriales" wurden mit Lehen entlohnt. Eine eindeutige Zuordnung in der ständischen Gesellschaft war aber aufgrund der heterogenen und differenzierten Positionen noch nicht möglich.

An der Wende zum Hochmittelalter im 10./11. Jahrhundert entstand aber erst der "Ministerialenstand". Von der Reichskirche abhängige Funktionsträger sollten helfen, die kirchliche Grundherrschaft in den Auseinandersetzungen mit dem Adel und der aufkommenden Stadt-herrschaft zu sichern. Die Kirche hoffte, mit dem Einsatz der Abhängi-gen keine Konkurrenzsituation, wie bei den Adligen, um die Grundherrschaft zu schaffen. Im Rahmen dieser Entwicklungen bildete sich aus den abhängigen Amtsträgern als Teilbereich der "familia" des Herrschers die Gruppe des rechtlich abgegrenzten Ministerialenstandes heraus.

Amtsbezogene Huf- und Lehenszuweisungen sollten die Amtsträger für ihre Dienste entlohnen und Dienst- oder Hofrechte ihre Aufgaben, Funktionen und Stellung rechtlich regeln. Ein frühes Dokument für ein solches Dienstrecht ist das "Wormser Hofrecht" des Bischofs Bur-chard I. von Worms (reg. 1000-1025) aus den Jahren 1023/1025. Im Erzstift Köln wurde die "Rechtsordnung für die erzbischöflichen Ministerialen" über hundert Jahre später eingeführt. Über das genaue Datum der Einführung dieser Rechtsordnung gibt es unterschiedliche Aussagen in der Literatur, die bis heute zum Teil unterschiedlich diskutiert werden. Ob dieses "Kölner Dienstrecht für die erzbischöf-lichen Ministerialen" direkt oder in abgewandelter Form auch für das zum kölnischen Erzstift gehörende Bacharach galt, bleibt unklar. Laut Staab hat sich für Bacharach kein Dienst- und Hofrecht erhalten, so dass Staab das Dienst- und Hofrecht des kölnischen Gutes im thüringischen Saalfeld zur Orientierung heranzieht.

Ein Merkmal der Ministerialen war zunächst die Unfreiheit, die man u.a. bei den Bedingungen für eine Eheschließung und an den fehlenden Verfügbarkeitsrechten über Besitz und Lehen erkennen konnte. Die Ausbildung des Ministerialenstandes, ihre qualifizierten Tätigkeiten in Politik, Wirtschaft und Heerwesen und die Übertragung von Lehen führten im Laufe des 12. Jahrhunderts zur Abschwächung und Aufhebung der Unfreiheit, insbesondere bei den hohen Ministerialen. Die Ministerialen glichen sich dem Adel an, und sie wurden vielfach in den Ritterstand aufgenommen. Im 12. und 13. Jahrhundert entwickelten sich daraus zahlreiche der stadtritterlichen Geschlechter, die zum Teil mit dem Landadel Verbindungen eingingen. Zusätzlich traten auch Edelfreie aus Karrieregründen in den Ministerialenstand ein oder Ministeriale heirateten freie Frauen. Zahlreiche Ministeriale erlangten auch hohe geistliche Würden u.a. in Domstiften oder Orden. Durch ihre Zugehörigkeit zum Rittertum steigerten sie auch den Ritterbegriff zum "Miles christianus" (christlicher Ritter) und das Bild des höfischen Ritters.

Während in früheren Zeiten die Rolle des städtischen Patriziats bei der Stadtentstehung weitgehend auf die Fernhändler beschränkt wurde, erkennen heutige Forschungen auch den Anteil der Ministerialen bei der kommunalen Emanzipation und der Herausbildung des Patriziats, insbesondere entlang des Rheins, an.

Im Reich und den Territorien erlangte die sogenannte Reichsministerialität im Rahmen des Investiturstreites (1076-1122), gefördert von Heinrich IV. (1050-1106), höheren politischen Einfluss in Beraterfunktionen und in der Burgenpolitik. In der Stauferzeit entfaltete sich dann die höchste Macht der Reichministerialität. Neben der Errichtung und Beherrschung von Burgen, Gründung von Städten und dörflichen Siedlungen nahmen sie gerichtliche, verwaltungsmäßige und wirtschaftspolitische Aufgaben wahr. In der Rangfolge standen die Ministerialen der Bischöfe mit den Reichministerialen etwa auf einer Stufe. Andere Ministeriale waren diesen nachgeordnet. Gemeinsam war allen Ministerialen die Zugehörigkeit zur höfisch-ritterlichen Gesellschaft, wobei ihr Anteil an der höfischen Dichtung inzwischen geringer als früher eingeschätzt wird.

Aufgrund der Autoritätskrise während des Investiturstreites führten die Auseinandersetzungen zwischen den aufstrebenden und sich emanzipierenden Ministerialen und insbesondere den Reichskirchenfürsten zu zahlreichen, sehr hart ausgetragenen Konflikten. Speziell im städtischen Bereich wurde nicht nur eine größere Mitverantwortung in Politik, Wirtschaft, Gerichtsbarkeit und Bischofswahl eingefordert, sondern zum Teil verbündeten sich die Ministerialen auch mit den Bürgern gegen den Stadtherrn bei deren Unabhängigkeitsbestrebungen. Die durch ihre Qualifikation für Ämter prädestinierten Ministerialen nahmen sowohl die stadtherrlichen wie auch später die gemeindlichen Ämter wahr.

In der weiteren Entwicklung an der Wende zum 13. Jahrhundert differenzierten sich verschiedene Richtungen der Ministerialität langsam heraus. Während der Weg der einen Ministerialen zum niederen Adel führte, entwickelten sich die anderen zu einer städtischen Führungsschicht. Dabei wird diese sich aus den Ministerialen bildende Führungsschicht der Stadt in der Forschung verschieden dargestellt. Trotz differenzierter Forschungsmeinungen unterscheidet man zwei Hauptgruppen. Eine Gruppe von Stadtadligen "milites" (Ritter) unterhielt enge Beziehungen zum Stadtherrn und dem Landadel und war zum Teil auf Seiten des Stadtherrn oder Bischofs. Die andere Gruppe der bürgerlichen Führungsschicht als "milites et cives" (Ritter und Bürger) integrierten sich in den kommunalen Verband und beteiligten sich an der Entwicklung der Ratsverfassungen und der bürgerlichen Selbstbestimmung. Während beide Gruppen zunächst durch ihre weitergeführten Ämter und Vollmachten sowie ihren wirt-schaftlichen Beteiligungen großen Einfluss ausübten, verloren sie, insbesondere in den innerstädtischen Auseinandersetzungen im Übergang von Spätmittelalter zur frühen Neuzeit, an Bedeutung.

In Bacharach sorgte die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt, die Bedeutung im Rheinhandel, insbesondere als Weinstapel- und Wein-umschlagplatz, und die Einrichtung des pfalzgräflichen Zolls dafür, dass Verwaltungspersonal benötigt wurde, und damit wohl der Anteil der Ministerialen in der Bevölkerung stieg. Die meisten Ämter in Bacharach und den Viertälern wurden von Ministerialen bzw. später von aus ministerialen Familien stammenden Personen wahrgenommen. Auch in Bacharach verschmolzen die Ministerialen in der weiteren Ent-wicklung mit den edelfreien Geschlechtern zu einem einheitlichen Ritterstand bzw. finden sich im bürgerlichen Patriziat25 wieder.

Quellenangaben in der gedruckten Form ausführlich vorhanden