Buch
Bacharach und der Rhein
Autor : |
Reinhold Maus |
Herausgeber und Verleger: |
Verein für die Geschichte der Stadt Bacharach und der Viertäler e. V. |
Reproduktion und Layout: |
Horst Stimmann, Bacharach |
Druck: |
Bayer-Druck GmbH, 55459 Grolsheim |
Erschienen |
2007 |
ISBN |
978-3-928022-05-7 |
Seiten |
127 |
Preis: |
10,00 EUR |
Inhaltsverzeichnis
Leseprobe
“Wandernde” Wahrschauer und Wahrschaustationen
Bei der ursprünglichen Form des Schifffahrtsbetriebes zu Berg, dem Leinenzug, konnte bei der geringen Geschwindigkeit ein vorgeschickter Bote Einblick in eine unübersichtliche Stromstrecke nehmen, um festzustellen, ob und welche Talfahrzeuge sich auf dem Strom befanden, die dem am Leinenzug hängenden Bergfahrer gefährlich werden könnten. Hieraus entstand die “wandernde Wahrschau”.
Besonders in starken Flussbiegungen war der Wahrschauer notwendig, da das Vorspannseil die Talfahrt behinderte und somit eine Sperrung der Talfahrt auslöste. Bei der Umfahrung der Wirbellay gegenüber Bacharach hatten nur die Dampfschiffe, die wegen niedriger Wasserstände durchs Wilde Gefähr eine Leine für den Pferdezug oder die Vorspannboote nehmen mussten, einen Wahrschauer bis Lorchhausen vorauszuschicken, das waren 2,5-3 km. Wenn ein Talfahrer unterwegs war, musste er in der Regel vor der Wirbellay vor Anker gehen; es sei denn, der Talfahrer hatte bei Ankunft des Wahrschauers Lorchhausen bereits passiert. Dann musste das Dampfschiff vom wandernden Wahrschauer informiert werden und unterhalb des Wilden Gefährs liegen bleiben.
Schon am 8. 1. 1851 richtete ein Wahrschauer ein Gesuch an die Dienststelle, man möge an der Wirbellay eine feste Station einrichten. In Erwägung war u. a. auch eine am Bacharacher Kloster St. Nikolaus einzurichten, denn dort steckte seit 1834 Jakob Eidam eine Signalflagge ein, wenn ein Schiff im Wilden Gefähr fest hing. Auf dieses Zeichen hin musste die Talfahrt in Bacharach warten. Eidam konnte von dort aus die Situation am Wilden Gefähr gut einsehen, kein Eisenbahndamm, keine Umgehungsstraße, kein Baumwuchs, versperrte damals die Sicht dorthin. Die Entscheidung fiel zugunsten der rechtsrheinischen Wirbellay-Station. Die Zeichen wurden von der Wahrschaustation an der Wirbellay gesetzt, wenn die “Talfahrt” oberhalb Lorch in Sicht kam. Sie wurden eingezogen, wenn das angekündigte Fahrzeug den Wahrschauposten erreicht hatte.
Mit der zunehmenden Geschwindigkeit der dampfbetriebenen Fahrzeuge genügte die Form des wandernden Wahrschauers nicht mehr; und wurde ab 12. 02. 1877 eingestellt. Dafür entstanden feste Wahrschaustationen am Binger Loch auf dem Mäuseturm, an der Wirbellay bei Bacharach, am Ochsenturm in Oberwesel, gegenüber dem Kammereck und an der Bank bei St. Goar. Zunächst waren diese Dienste kostenpflichtig.
Das Annähern aller zu Tal fahrenden Fahrzeuge wurde durch Aufziehen von Flaggen kenntlich gemacht und zwar in folgender Weise:
- wenn ein einzelnes Schiff zu Tal kommt, mit roter Flagge,
- wenn ein Schleppzug zu Tal kommt, mit weißer Flagge,
- wenn ein Floß antreibt mit einer weißen und roten Flagge.
Die Wahrschaustation Wirbellay wurde 1963 aufgelöst und das Gebäude abgetragen. Mit der 1974 in Angriff genommenen Rheinvertiefung und dem Ausbau des Hauptfahrwassers auf einheitliche 120 m Breite waren die meisten Gefahrenstellen entschärft und eine Wahrschau nicht mehr nötig. Nur die Strecke zwischen Oberwesel und St. Goar blieb erhalten; sie wurde aber auf Lichtwahrschau umgestellt. Lichtsignale geben dem Schiffer Auskunft über die vor ihm liegende Strecke. Von einem Bedienertisch in der Revierzentrale Oberwesel aus werden sie gesteuert. Der Radareinsatz (seit 1997) macht es möglich, dass auf diesem fünf Kilometer langen Flussabschnitt nur eine Person den Wahrschaudienst ausübt.
Schiffswege “Hahnen” und Kauber Wasser
Der Seitenarm des Rheins entlang der linken Seite des Heilesen Werths war von alters her ein viel genutzter Schiffsweg. Er war eine der wenigen Möglichkeiten, um von Bacharach aus mit größeren Schiffen zu verkehren. Damals floss dort in einer wesentlich größeren Breite mehr Wasser durch als heute. Vor 1857 gab es noch keinen Bahndamm, der den Flussraum einengte, und auch noch keine Umgehungsstraße. Die Ursache, dass dieser Seitenarm, genannt Hahnen, schon seit 1762 nicht mehr genutzt werden konnte, war ein Orkan mit Wolkenbruch, der große Erdmassen aus dem Münzbach vor die Felsen spülte. Im Januar 1840 ermittelte die Wasserbaubehörde die Kosten einer Schiffbarmachung des Hahnen, um auf preußischem Ufer den Leinpfad wieder zu nutzen. 1438 gewöhnliche Schiffe und 1215 Kohlennachen fuhren in dieser Zeit zu Berg. In Kaub musste damals geleichtert werden, wenn das Schiff über 2 1/2 Fuß = 75 cm Wassertiefe hatte. Wenn der Leinpfad wieder in Nutzung käme, könnten 30 Bacharacher Familien mit 4412 Taler Mehreinnahmen von den Verbesserungen im Hahnen profitieren. In der Unterstraße wohnten viele Bürger, die von der Treidelschifffahrt lebten, u. a. Schiffer, Seiler, Schiffsbauer, Gastwirte, Bäcker, Metzger, Schuhmacher. Die Kosten des Ausbaus waren mit 254 Thalern und 3 Silbergroschen errechnet.
1842 vertiefte Nassau durch Ausbaggern das Kauber Wasser mit Erfolg. Der Ausbau des Hahnen kam nicht zum Zuge, weil die zwei gegenüberliegenden Länder Nassau und Preußen nicht zusammenarbeiteten. Die Erkenntnis, dass auf längere Zeit die Dampfschifffahrt erfolgreich sein würde, hat sicherlich zurückhaltend auf diese Maßnahme gewirkt. Durch die Veränderungen im Strom, hauptsächlich durch den Buhnenbau, mussten 1842 die Treidelpferde dreimal übersetzen (Kaub, Lorch, Assmannshausen), um ihre Treidelschiffe rheinaufwärts zu bringen, eine sichere Einnahmequelle für die Fähren.
Marktschifffahrt
Bacharach - Bingen, Mainz - Frankfurt
Marktschiffe boten zwischen mittelrheinischen Städten und Dörfern eine regelmäßige Transportmöglichkeit für Personen, Korrespondenzen und Sachen. Die Marktschiffer, die vom Magistrat einer Stadt zusammen mit einer anderen Stadt bestellt wurden, fuhren in der Regel an bestimmten Tagen zu einer festgesetzten Zeit, nur zwischen den beiden festgelegten Orten ohne Zwischenstopp. Wenn der Marktschiffer keine Vollladung erhalten hatte, bekam er an dem betreffenden Tage das Recht auf den Transport aller Waren nach dem Zielort. Er war an feste Tarife gebunden. In Bacharach waren Marktschiffer z. B. Niclas Horet, Clesgen Stimmel, Hans Eythen.
Frankfurter Marktschiffe verkehrten täglich von und nach Mainz. Zur Messezeit wurde vor Ort sogar darüber gestritten, ob man an ihren Landungsplätzen Wein feilhalten und Musik machen durfte. Den Marktschiffen, besonders den Frankfurtern, wurden zu Messezeiten bei starkem Verkehr einige Kähne angehängt, welche zur Aufnahme des Gepäcks der in dem Hauptschiffe fahrenden Reisenden und weiterer Güter dienten. Das Mainz-Frankfurter Marktschiff konnte 200 Personen befördern, der Fahrpreis von Mainz nach Frankfurt betrug 16 Kreuzer.
Gebühren im Bereich der Marktschifferei Mainz und Nierstein vom 15. Januar 1828
Gulden | Kreuzer | |
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Eine Person, einschließlich mitgeführter Waren | - | 6 |
Ein Korb, ungefähr 1 Zentner wiegend | - | 6 |
Ein Malter Frucht, ohne Unterschied | - | 5 |
Eine Tonne Hering oder Seife | - | 8 |
Ein Ohm Wein (160 l ), Essig, Branntwein, Öl etc. | - | 30 |
Ein Stück Wein (1200 l ) | 4 | - |
Hundert Daubenhölzer f. Stückfass | 1 | 12 |
Ein Malter Frucht, ohne Unterschied | - | 5 |
(Der Gulden kam 1252 von Florenz als Goldgulden (Abk. fl.) = Floren zu 60 Kreuzer (Abk. kr.)
Von der Kahnstation (1833-1902) zur Brückenstation
Im Jahre 1827 eröffnete die “Rheinisch-Preußische-Dampfschifffahrtsgesellschaft” ihren Linienverkehr zwischen Köln und Mainz. Nicht alle Stationen hatten von Anfang an eine Landebrücke, die von Personendampfern angefahren werden konnte. Dieser Mangel wurde durch Kahnstationen behoben, von denen aus die Passagiere mit einem Nachen an Bord bzw. von Bord ans Land gebracht wurden. Die Polizeiverordnung schrieb vor: “Der Nachen muss von zwei starken Schiffskundigen und als nüchtern bekannten Männern geführt werden. Er muss in gutem Zustand, vollständig ausgerüstet und mit einer Bezeichnung seiner größten zulässigen Einsenkung versehen sein”.
Für das Anfahren an Personenschiffe und für Überfahrten an das jenseitige Ufer waren u. a. die zwei Nachen der Gebr. Maus eingesetzt. Der erste Kahnführer war 1833 Jacob Eidam. 1891 entschloss man sich an Stelle der Kahnstation eine Landebrücke zu installieren. Um näher an das Fahrwasser zu kommen, entstand vom bisherigen Werftufer aus ein Damm mit Brückenkopf, an dem die Landebrücke festgemacht wurde. Dieses Fundament blieb bis heute erhalten. Um die neue Landebrücke (am 21. 3. 1892 in Koblenz fertig gestellt) zu installieren, mussten im Vorfeld noch viele Felsen entfernt werden. Am 8. April 1892 wurde sie geliefert und eingebaut.
Der Weinversand durch Weinhandlungen und ankommendes Frachtgut ergaben die Notwendigkeit, eine Lagerhalle zu errichten. Der für diesen Güterverkehr errichtete Werftschuppen hatte eine Größe von 12 m Länge und 4 m Breite, bekannt als “Wellblechbude”. An der einen Seite war das Kontor der Agentur, die die erste Fahrscheinausgabe für die Personenschifffahrt und die Annahme des Stückgutverkehrs erledigte. Der andere Teil war die Lagerhalle für Schiffsladungen. Es verstärkte sich das Frachtaufkommen im Güterverkehr. Eine Plattformlore auf Schienen zwischen Werftschuppen und Landebrücke wurde genutzt, um Frachtgut zu oder von der Landebrücke zu transportieren. Dieser Werftschuppen fiel 1954 dem Bau der Umgehungsstraße zum Opfer. Die Frachtreedereien Badenia, Egan u. a. mit ihren Dampffrachtschiffen und die kombinierten Fracht- und Personendampfschiffe der Köln-Düsseldorfer und der “Nederländische Dampfschifffahrt” übernahmen diesen Frachtdienst.
In den ersten Jahren waren die Linienschiffe der Köln- Düsseldorfer für Personenund Güterverkehr ausgerüstet. Bald merkte man, dass die Agentur zu weit von der Landebrücke weg lag. Deshalb entstand 1902 ein kleines Agenturhäuschen an der Landebrücke. Ein weiteres Hemmnis war der zu kurze Brückensteg, der bei Niedrigwasser die Benutzung der Landebrücke nicht mehr zuließ, da er nur eine Länge von 12 m hatte. Dann half nur noch die alte Art wie bei der Kahnstation.
Der Güterverkehr mit den Frachtreedereien hatte der Brücke viele Schäden zugefügt. Im Oktober 1900 tauschte man den 12 m langen Eisensteg gegen vier Balken á 15 m aus. Das beschädigte Brückenschiff wurde 1901 durch ein neues ersetzt. Am 20. 6. 1900 waren auch die Vertiefungen vor der Anfahrt fertig gewesen und am 11. 5. 1901 war dann die Eröffnung der 2. Landebrücke.
Zur Landebrücke gehörte auch eine Schiffsglocke, mit der man das Ankommen eines Schiffes den Passagieren kundtat. Auf den Schiffen zeigte man mit der Bugglocke den Reisenden das Anlegen des Dampfers an eine Station an. Der Kapitän, der über das Ablegen des Schiffes wachte, machte mit der Glocke am Ruderstuhl darauf aufmerksam, dass die Abfahrt bevorstand. Heute hat die Elektronik dies alles überflüssig gemacht.
1963 verkaufte die Stadt Bacharach die Station an die Köln- Düsseldorfer. Diese veränderte 1968 die Landebrücke mit einem 2. Ponton und verlängerte den Steg auf 21 m. Einschließlich des 2. Pontons ist nun die Brücke 31,5 m lang. Damit ist die Situation auch für die Zeit des Niedrigwassers verbessert worden.
Ein Novum entstand 1925 in Köln, dort entsandte das Hotel Disch stets einen hauseigenen Portier zur Anlegestelle, um Gepäck ins Hotel zu transportieren. Das erregte Erstaunen und fand schnell Nachahmer. In Bacharach war dies bis zum 2. Weltkrieg ebenfalls eine Gepflogenheit geworden.