Heimatblatt Nr. 41

Titelbild

Altes Stadttor (Bacharach am Rhein)

Inhaltsverzeichnis

  • In eigener Sache
  • Es stand in der Zeitung
  • FORTUNATUS
  • 150 Jahre der Vereinigung der Bacharacher und Steeger Weingüter e.V.
  • Wikinger am Rhein Leseprobe
  • Meine Erlebnisse beim Finanzamt St. Goar
  • Die Arrestierung des Zollschreibers Remmer und die Immunitätsverletzung des Kapuzinerklosters in Bacharach Leseprobe

Foto aus der Region

Leseprobe

Leseprobe  Wikinger am Rhein

[Autor/in: Sabine Zahn]

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Es gilt als gesichert, dass die Wikinger bis nach Koblenz und Trier gekommen waren und auch die Eifel nicht verschonten. Über ihre weitere Reise auf dem Rhein in Richtung Süden gibt es nur Vermutungen in Form schriftlicher Aufzeichnungen, aber keine archäologischen Funde. So beschreibt ein schwedischer Historiker wie die Nordmänner um 881 herum zunächst Koblenz und anschließend Mainz und Worms plünderten. Auch "in der Stadt Bingen wurden alle Einwohner niedergemacht, die nicht in die Wälder geflohen waren". Eine weitere Sekundärquelle spricht ebenfalls von der Plünderung Bingens und beruft sich dabei auf die "Vita Sancti Ruperti" der Hildegard von Bingen, die eine Biographie des Heiligen Rupert von Bingen verfasste.

Auch wenn letztlich aufgrund fehlender archäologischer Funde nicht bewiesen werden kann, dass die Nordmänner in ihren Drachenschiffen am Viertälergebiet vorbei in Richtung Mainz fuhren, ist es doch zumindest wahrscheinlich, dass die Einwohner von ihnen gehört hatten und in Angst lebten, vielleicht als nächstes ausgeplündert zu werden. Es liegt daher nahe, sich mit dem Thema "Wikinger am Rhein' etwas näher zu beschäftigen.

Wikinger kennen wir aus Museen in Skandinavien und Schleswig-Holslein, als Entdecker Amerikas, als Siedler der Normandie, als Händler und Plünderer der damals bekannten Welt bis hin zum Schwarzen Meer. Wir kennen sie aus Filmen und wüsten Legenden. Jeder hat sich sein eigenes Wikingerbild von Met trinkenden Männern mit Hörnerhelmen zurechtgelegt. Dass Wikinger auch Landwirte, begabte Seefahrer und überaus erfolgreiche Händlerwaren, ist kaum in unser Bewusstsein gedrungen. Diesem Thema widmete sich eine Ausstellung im Rheinischen Landesmuseum in Bonn. Auf ihren Erkenntnissen beruht ein Großteil dieses Artikels. Es ist fast unbekannt, dass die Wikinger über den Rhein bis tief in das Herz des Frankenreiches eingedrungen waren. Das liegt zum Einen wohl daran, dass es, im Gegensatz zu anderen europäischen Gebieten, am Rhein kaum Hinterlassenschaften der Wikinger gibt. Friesland, welches unter Karl dem Großen (etwa 800 n.Chr.) zum Frankenreich kam, bekam den Hauptteil der Überfälle ab. Die Rheinmündung in den heutigen Niederlanden war so ungleich mehr betroffen, als die Städte die tiefer im Landesinneren lagen. Zum Anderen liegt es vielleicht daran, dass im frühen Mittelalter nie von Wikingern, sondern immer von Nordmännern, Piraten (pyratae) oder Heiden (pagani) die Rede war. Auch "Normannenstürme" finden sich in der Geschichtsschreibung. Obwohl der Begriff "Normannen" streng genommen nur für die Wikinger Verwendung findet, die sich in der nach ihnen benannten Normandie niederließen. Alle anderen Skandinavier werden Wikinger genannt, was als Selbstbezeichnung erstmals 1070 durch den Kirchenhistoriker Adam von Bremen belegt ist.

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Leseprobe  Die Arrestierung des Zollschreibers Remmer und die Immunitätsverletzung des Kapuzinerklosters in Bacharach

[Autor/in: Christian Binz]

Im Provinzarchiv der Kapuziner in München befindet sich ein Bericht über einen interessanten Vorfall in Bacharach. Der Zollschreiber Remmer wurde arrestiert, floh aus dem Arrest und flüchtete ins Bacharacher Kapuzinerkloster. Daraufhin wurde auf Befehl des Amtskellers Hof- und Kammerrat Külp, am Nachmittag des 19. Dezember zwischen zwei und drei Uhr, die Kirchenimmunität verletzt. Das Jahr ist leider nicht angegeben.

In der Nacht vom 18. auf den 19. Dezember befahl der Amtskeller Hof- und Kammerrat Külp, den Zollschreiber Remmer zu arrestieren. Der Amtsschreiber Printz suchte ihn, mit einer bewaffneten Mannschaft, in etlichen Häusern. Sie fanden ihn schließlich in seinem Haus. Er wurde dann im Wirtshaus 'Zum Löwen' in Arrest genommen und dort bewacht. Am Morgen des 19. Dezember ließ Remmer, gleich in der Frühe, den Kapuzinerpater Guardian zu sich rufen und ihm Nachricht von seinem Arrest geben. Remmer begehrte vom Löwenwirt Feder, Tinte und Papier, um damit Herrn Kammerrat Külp zu schreiben, da ihm seine 'Briefschaften' gleich anfangs des Arrests weggenommen wurden.

Dies wurde ihm aber verwehrt. Hierauf ging einer der Bewacher zu Herrn Külp, um ihn zu fragen, was hier zu tun sei. Nach seiner Rückkehr berichtete der Bewacher, dass Herr Külp Besuch bei sich hatte und deshalb keine Order geben konnte. Darauf beklagte sich Herr Remmer sehr über die harte Behandlung. Er bat den Pater Guardian, zu Herrn Külp zu gehen und gegen das Verfahren zu protestieren, indem er ihm die 'Briefschaften' weggenommen habe, ohne einen kurfürstlichen Befehl darüber zu haben. Durch die Hinwegnahme der 'Briefschaften' sah sich Remmer bei seiner Verteidigung benachteiligt. Pater Guardian erwies Remmer seine Nächstenliebe und überbrachte Herrn Külp die Beschwerde Remmers. Külp las dem Pater Guardian dann das kurfürstliche Dekret wegen des Arrests vor.

Nachmittags um ungefähr halb eins kam der Hochwürdige Dechant von Wesel mit noch einem weiteren Weseler Geistlichen zu Besuch ins Kloster. Nach einer Viertelstunde wurde an der Klosterpforte geschellt, als würde es brennen. Als der Pförtner die erste Pforte an der Straße öffnete, stand dort Herr Remmer mit Kappe auf dem Haupt und Pantoffeln an den Füßen und sprang hinein. Der Pater Guardian, der Pater Vicarius (Stellvertreter des Guardians), der Dechant von Oberwesel und der mit ihm gekommene Geistliche waren ganz perplex. Nach Luft schnappend sprach Herr Remmer: "Gott lob, nun bin in der Libertet [Freiheit], daß ich mich frey kan defendigen [verteidigen]". Kaum waren diese Worte gesprochen, da waren schon drei bis vier Mann - welche ihn im Wirtshaus bewachen sollten - mit Gewehren an der Stubentür. Die Kapuzinerpater wiesen sie auf Immunität und Freiheit des Hauses hin. Dadurch ließen sie sich aber nicht abweisen. Sie schickten einen zu Herrn Kammerrat Külp, eine Order einzuholen. Während auf die Antwort gewartet wurde, drang eine weitere bewaffnete Mannschaft in den unteren Klosterhof ein. Die Kapuziner protestierten gegen diese Verletzung ihrer Privilegien, Immunität und Freiheit. Dies sei ein geistliches Haus, in dem keine Gewalttätigkeiten vorgenommen werden dürfen. Daraufhin gingen sie wieder hinaus. Der Guardian suchte Herrn Külp zu Hause.

Herr Külp erklärte dem Guardian, dass er Herrn Remmer ein für allemal mit Gewalt herausholen müsse, koste es ihn auch sein eigenes Blut. Der Guardian protestierte wieder, Herr Remmer befinde sich nun in einem geistlich privilegierten Haus und Kloster. Herr Külp wies auf seinen kurfürstlichen Befehl hin. Worauf der Guardian antwortete, dass dieser keineswegs auf geistliche Häuser angewendet werden könne. Beide tauschten ihre Argumente aus, aber jeder blieb bei seiner Meinung. Herr Külp ließ noch mehr Bürger "ans Gewehr gehen". Worauf der Guardian abermals protestierte und das im Namen ihrer kurfürstlichen Gnaden von Trier, als dem geistlichen Ortsordinarius, dem ganzen Klerus und der ganzen katholischen Religion. Er protestierte auch im Namen und "bey ungrand" ihrer kurfürstlichen Durchlaucht zu Pfalz. So gingen sie auseinander, der Guardian zurück ins Kloster und Herr Külpzu Pferd.

Zu Hause fand der Guardian die Wachtmeisterleute und weitere im Haus. Draußen vor dem Tor waren Truppen, die von Kaub her kommandiert waren um Herrn Remmer runter zu konvoitieren. Mittlerweile war Herr Külp zu Pferd auch schon vor dem Klostertor und gab der, zu diesem Akte aufgebotenen, Bürgerschaft die Order, Herrn Remmer mit Gewalt herauszuholen. Eine Mannschaft von 40 bis 50 Mann mit Gewehren drang ins Kloster ein. Hiergegen protestierte der Guardian mit Vorschützung der Immunität, der Privilegien und geistlichen Freiheiten gegen dieses gewalttätige Verfahren. Dieser Protest erfolge im Namen ihrer kurfürstlichen Gnaden zu Trier, des Erzbischofs (Ordinarius dieses Ortes) und ihrer kurfürstlichen Durchlaucht zu Pfalz (des Landesherren), selbst katholischer Religion. Gegen seinen Willen und seine Meinung würde solches geschehen, sein Dekret würde nicht für den geistlichen Bereich gelten. Auch erfolge der Protest im Namen des gesamten Klerus und der ganzen katholischen Kirche. Was vor einer viertel bis halben Stunde vor dem versammelten Volke geschehen sei, würde von katholischen Geistlichen genauso wie von reformierten Prädikanten so gesehen: Herr Külp würde in höchste Ungnade fallen.

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